Echtzeit-Übertragung von Sprachdaten im Netzwerk und QoS - VoIPZum Einstieg in das Thema sollten wir uns zunächst kurz damit befassen, was unter dem Begriff “Echtzeit” eigentlich zu verstehen ist. Vermutlich lässt er sich am besten dadurch erklären, auf was er sich gerade nicht bezieht.

Schauen wir uns einmal die zeitlichen Abläufe beim Versand und Empfang einer E-Mail an. Mitunter wird im Zusammenhang mit der Übertragung von E-Mails die Bezeichnung “Teilstreckenverfahren” (Store and Forward) verwendet. Obwohl nicht ganz passend, wie beispielsweise ein Blick in Wikipedia verrät, wird hiermit das zugrundeliegende Prinzip verdeutlicht: Das Erstellen einer E-Mail, ihr Versand und Empfang sowie das Lesen der Nachricht erfolgen in mehreren Schritten mit merklichen zeitlichen Verzögerungen.

Bei der E-Mail-Übertragung ist der zeitliche Abstand zwischen Versand und Empfang meist unerheblich und wird überwiegend nicht als störend empfunden. Vor allem angesichts der Tatsache, dass in kürzester Zeit zahlreiche neue Nachrichten im Posteingang eintreffen können, die sich ohnehin nicht alle umgehend bearbeiten lassen.

Soll heißen: Verzögert sich der Empfang einer E-Mail um ein paar Minuten, hat dies praktisch keine negativen Auswirkungen auf die Kommunikation und Geschäftsabläufe.

Ganz anders hingegen sieht es bei der Übertragung von Sprache aus. Während eines Telefongesprächs ist eine um mehr als rund 400 Millisekunden verzögerte Signalübertragung deutlich wahrnehmbar und wird von Teilnehmern als sehr störend empfunden.

Falls Ihre Internet- und Netzwerkverbindung genügend Bandbreite zur Übermittlung von Sprachdaten mitbringt, die Sprachqualität aber durch eine verzögerte Übertragung beeinträchtigt wird, liegt dies mit größter Wahrscheinlichkeit an einer Überlastung oder einem Flaschenhals im Netzwerk. Über die normale Laufzeitverzögerung hinaus (oft als “Ping” bezeichnet) tritt also eine weitere Verlangsamung ein.

Was ist unter Quality of Service (QoS) zu verstehen?

Im Bereich Voice-over-IP (VoIP) sind unter Quality of Service (QoS, deutsch: Dienstgüte) gemeinsam angewandte Konzepte und Verfahren zu verstehen, die im Rahmen einer nur beschränkt verfügbaren Bandbreite für bestmögliche Gesprächsqualität sorgen sollen.

Reservierung von Bandbreite – Bei diesem simplen Verfahren, das bisweilen bei Einstiegs-Routern zum Einsatz kommt, ist ein fester prozentualer Anteil der verfügbaren Bandbreite ausschließlich für bestimmten Datenverkehr vorgesehen. Das heißt: Werden bei einer 2-MBit-Leitung 100 KB/s für die VoIP-Übertragung reserviert, sind diese auch bei einem hohen Datenaufkommen durch anderen Traffic jederzeit abrufbar. Sollten nur 50 KB/s von der VoIP-Kommunikation beansprucht werden, stehen die verbleibenden 50 KB/s zur anderweitigen Nutzung bereit. Muss ein höheres Gesprächsaufkommen bewältigt werden, das über den reservierten Traffic hinausgeht, stellt der Router auch weiterhin nur die garantierten 100 KB/s bereit – der zusätzliche VoIP-Traffic muss sich die übrige Bandbreite mit sämtlichem anderen Datenverkehr teilen.

Markierung des Datenverkehrs – Netzwerk-Traffic lässt sich zur unterschiedlichen Priorisierung mit speziellen Markierungen kennzeichnen (Traffic Tagging). Das zugehörige Verfahren ist in RFC 2474 definiert, welches DSCP-Werte (Differentiated Services Code Points) für die Priorität des Datenverkehrs und das Differentiated-Services-Feld in IPv4- und IPv6-Headern zur Traffic-Klassifizierung festlegt. Datenpakete werden einfach markiert – Router/Hops, die bei der Übertragung passiert werden, können Datenverkehr unter Berücksichtigung der Traffic-Klasse behandeln und priorisieren diesen dann in den meisten Fällen entsprechend. Ist eine QoS-Implementierung in Ihrem Unternehmen erforderlich, müssen Sie Ihre VoIP-Geräte, insbesondere die 3CX-Maschine, für eine korrekte Markierung des VoIP-Traffics konfigurieren, damit das Routing wie erforderlich erfolgt. Bei Windows-Betriebssystemen geschieht die Implementierung über lokale Richtlinien oder Gruppenrichtlinien. Am Ende dieses Beitrags wird auf Schritte verwiesen, wie Sie QoS-Tagging unter Microsoft Windows Server 2008/2012 relativ einfach umsetzen können.

Priorisierung – Die Markierung des Datenverkehrs ist nur ein Schritt zum Ziel. Ebenso wichtig ist es, dass alle beteiligten Geräte und Dienste eine entsprechende Priorisierung gewährleisten. Insbesondere Ihr ISP muss markierten Datenverkehr berücksichtigen und vorrangig behandeln.

Typische Überlastungsbereiche

Um besser gegen die Überlastung von Netzwerken und Flaschenhälse vorgehen zu können, hilft zu wissen, welche neuralgischen Punkte Probleme verursachen können. Die folgende Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, liefert aber wertvolle Tipps zu Bereichen, die Sie zunächst überprüfen sollten.

Internet-Verbindung und Router/Firewall (WAN-zu-LAN-Hardware)

Die Internet-Abdeckung wird nahezu allerorten fortlaufend optimiert. Die zur Verfügung stehende Bandbreite ist jedoch ein kostbares, da weiterhin begrenztes Gut.

Daher gilt: Zuerst sollten Sie dafür sorgen, dass Ihre Internet-Verbindung nicht durch eine zu hohe Anzahl von Anrufen überlastet wird. Hier spielt die überwiegend asymmetrische Verteilung von Bandbreite eine große Rolle: Downstream zum Teilnehmer und Upstream in die Gegenrichtung unterscheiden sich in den meisten Fällen erheblich. Gerade ein weitaus geringerer Upstream erweist sich üblicherweise als Flaschenhals. Denn bei der Sprachübertragung müssen Daten zeitgleich verschickt und empfangen werden.

Sie können sehr einfach überprüfen, ob Ihre Internet-Verbindung oder Ihr Router/Ihre Firewall sich als Hemmschuh erweist:

  • Lässt die Sprachqualität bei über Ihre Internet-Verbindung übertragenen Anrufen zu wünschen übrig?
  • Ist bei Anrufen, die nicht über Ihre Internet-Verbindung laufen – etwa bei internen Gesprächen zwischen zwei Nebenstellen im selben LAN wie Ihre Telefonanlage – die Sprachqualität nicht zu beanstanden?

Sollten Sie beide Fragen mit “Ja” beantworten können, haben Sie Ihren Flaschenhals gefunden.

Als Mini-Switch verwendete Tischtelefone

Zahlreiche aktuelle SIP-Tischtelefone bringen einen zweiten Ethernet-Anschluss mit, um hierüber einen PC mit dem lokalen Netzwerk verbinden und Netzwerkanschlüsse einsparen zu können.

In einigen Situationen kann diese Switch-Lösung jedoch zu Problemen mit der Sprachqualität führen. Beeinträchtigungen treten dabei für gewöhnlich nur zeitweise auf und betreffen immer nur einzelne Benutzer, ob diese sich nun im Gespräch mit einer anderen Nebenstellen im LAN oder mit externen Teilnehmern befinden.

  • Bei den meisten Anrufen gibt es nichts zu beanstanden.
  • In einigen Fällen hingegen sind während des gesamten Gesprächs Qualitätseinbußen festzustellen.
  • Bei anderen Anrufen wiederum treten Probleme erst im Verlauf eines Gesprächs ein und verschlimmern sich.
  • Ebenso kann genau das Gegenteil der Fall sein und sich die zunächst mangelhafte Gesprächsqualität nach einiger Zeit deutlich verbessern.

Ursache hierfür kann der mit dem jeweiligen Telefon verbundene PC sein, der zum Zeitpunkt der Störungen massiv auf das Netzwerk zugreift und somit den Telefonprozessor überlastet. Trennen Sie daher den PC vom Telefon, um zu überprüfen, ob das Problem hierdurch beseitigt wird.

Interne LAN-Hardware

Die bereits beschriebenen Qualitätsprobleme können in ähnlicher Form auch durch Aufbau und Nutzung des Netzwerks bedingt sein. Eine geringere Sprachqualität lässt sich hier auf eine zwischenzeitlich sehr hohe Auslastung zurückführen. Insbesondere sind Netzwerkumgebungen betroffen, in denen große Dokumente übertragen werden, etwa im Fall von Designagenturen.

Besteht Ihr LAN aus mindestens zwei per MPLS-Netzwerk (Multiprotocol Label Switching) miteinander verbundenen Standorten, sind Qualitätsprobleme häufiger als in einem normalen LAN zu beobachten.

Um eine hohe Gesprächsqualität zu gewährleisten, sollten Sie im LAN somit am besten Quality-of-Service-Maßnahmen mit Traffic-Tagging für VoIP-Geräte (Ihre IP-Telefonanlage eingeschlossen) implementieren. Sorgen Sie zudem für eine korrekte Konfigurierung von Switches und Routern, um Traffic unter Berücksichtigung seiner Tags zu priorisieren.

Hilfreiche weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Bachelor-Arbeit von Donald Egbenyon, Absolvent der Turku University of Applied Sciences.

WLAN-Netzwerke

Sollten Sie in Ihrem Unternehmen WLAN-Geräte verwenden und über mehrere Access-Points (APs) verfügen, darf nicht vergessen werden, dass letztere nur über eine begrenzte Reichweite verfügen. Der Wechsel zwischen zwei WLAN-Funkzellen (Handover/Roaming) benötigt zudem gewisse Zeit. Im ungünstigsten Fall kann die Verzögerung zum Abbruch eines laufenden Gesprächs führen und eine erneute Anmeldung des WLAN-Geräts an der 3CX-Anlage erfordern.

Ihre WLAN-Infrastruktur muss daher gewährleisten können, dass ein Handover nur Millisekunden in Anspruch nimmt. Richten Sie zu diesem Zweck mit allen APs eine einzelne WLAN-Zone für WLAN-Geräte ein, und lassen Sie Backend-Prozesse entscheiden, welcher AP für die Anbindung zuständig sein soll.

Ein paar Worte zu VLANs

Netzwerktechniker gehen häufig lieber auf Nummer sicher, um mögliche Probleme durch um Bandbreite konkurrierende Sprach- und Datenübertragung zu vermeiden: Beide Arten von Datenverkehr werden einfach voneinander getrennt, indem Sprach-Traffic mit Hilfe eines physisch getrennten Netzwerks aus mehreren Switches ein eigenes LAN zugewiesen wird. Gleiches lässt sich auch mit einem VLAN (Virtual Local Area Network) erreichen.

Es ist unstrittig, dass dieser Lösungsansatz sehr effektiv ist. Dennoch steht er dem Konzept von Unified Communications (UC) entgegen, das für die Konvergenz von Sprach- und Datenkommunikation steht. Insbesondere Benutzer mit einer VoIP-Applikation auf ihrem Desktop (beispielsweise dem 3CX-Client) sind darauf angewiesen, dass Sprache und Daten im selben LAN übertragen werden – und der Trend weist eindeutig in die Richtung, dass dies schon bald gang und gäbe sein wird.

Gehen Sie gegen Überlastung und Flaschenhälse im Netzwerk vor, und optimieren Sie mit QoS die Gesprächsqualität im LAN – für bedeutende geschäftliche Vorteile.

Weiterführende Informationen
Konfigurieren von QoS unter Microsoft Windows